25. März 2024

Ist die Zukunft der Arbeit auch für den Rechtsmarkt relevant?

Der Rechtsmarkt gilt als traditioneller Markt, doch die Pandemie hat neue Arbeits-formen ausgelöst, die früher undenkbar gewesen wären: Homeoffice und deren stärkster Ausdruck, von überall arbeiten zu können. Unternehmen rufen – heute manchmal vergebens - ihre Mitarbeitenden zurück an den Arbeitsplatz.
Die Arbeitsformen der Zukunft sind in den Anwaltskanzleien und den Rechtsabteilungen angekommen. Die Beratungs- und Dienstleistungsbranche ist gefordert, neue Wege zu finden.

Teilaspekte künftiger Arbeit

Die künftige Arbeit ist neben anderen grossen Kräften geprägt durch die fortschreitende Transformation durch die Automatisierung und die Integration technologischer Innovationen (#Digitalisierung, #AI), flexible Arbeits(zeit)modelle (#Workation, #Remote Work, #Home Office, #Teilzeitarbeit, #Jobsharing, #Topsharing), lebenslanges Lernen (#Executive Education) und eine sich verändernde Kultur (#Diversity, #Inclusion, #Collaboration, #Gig Economy).

Der Mensch bleibt zentral

Im Arbeitsumfeld sollten wir ein Schlüsselelement nicht vergessen: den Faktor #Mensch. Und die Tatsache, dass wir – trotz aller technischen Errungenschaften – immer noch wie #Höhlenmenschen reagieren. Juristen:innen vergessen oft, dass eine korrekte Rechtsauskunft das Wichtigste ist – für sie selbst (#Haftung) –, dass die Beratungsbranche aber noch immer als «People’s Business» (#Dienstleistung) gesehen werden muss. Um eine enge Beziehung zu Kolleg:innen und Kund:innen aufzubauen und zu erhalten, müssen wir akzeptieren, dass es nicht reicht, sich nur in Teams oder Zoom zu sehen.

Dies legt die knifflige Situation offen, in der sich Anwält:innen befinden: es allen Stakeholdern recht machen zu müssen. Anwälte, Kunden und die CFOs (#Mietflächenoptimierung, #Kostenreduktion) wollen von den neuen Arbeitsbedingungen in ihrem Arbeitsumfeld profitieren (#Freiheit). Unsere Natur und unsere Bedürfnisse stehen diesem Anliegen jedoch diametral entgegen (#proximity bias). Wie können wir diese Interessen in Einklang bringen?

Beginnen ist wichtiger als Perfektionismus

Die Hauptzutaten für die künftige Arbeit sind für alle die gleichen: Arbeitsmenge, Flexibilität und Arbeit ausserhalb des Büros. Doch zwischen der Arbeit in der Landwirtschaft, am Fliessband oder in der durch KI vollständig freigestellten (Wissens-)Arbeit gibt es eine grosse Grauzone. Es fällt schwer, die richtige Lösung für jedes Unternehmen zu finden. Wir können den bekannten Schweizer Kompromiss anwenden: Wir erlauben den Mitarbeitenden, zwei Tage aus der Ferne zu arbeiten, wenn man das will und wenn die Arbeit es zulässt.

Warum ist das wichtig? Die Mitarbeitenden wollen gehört werden und der Personalmarkt braucht ein Signal, dass ein Arbeitgeber flexibel und offen ist, sich neuen Möglichkeiten anzupassen. Ein Kompromiss stellt einen guten Anfang dar, um dem Markt ein gewisses Mass an Sicherheit zu geben und mit einem Ansatz von Ausprobieren und Lernen weiterzumachen. Wir müssen akzeptieren, dass wir uns gerade erst auf eine Reise begeben und dass die neuen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten nicht mehr weggeredet werden können. Es ist besser, sie zu umarmen, als sie zu bekämpfen (#War for Talent, #Motivation, #Produktivität).

Empfehlungen für Führungskräfte

Was ändert sich für Führungskräfte? Ich denke wenig, abgesehen davon, dass sie den direkten „Zugang“ zu den Mitarbeitern verlieren (#Kontrolle), sie mehr Zuversicht in sie setzen sollten (#Vertrauen) und sie diesen Veränderungsprozess erfolgreich managen müssen (#Change). Die bewährten Führungsregeln und -stile behalten auch in der zukünftigen Arbeitswelt ihre Gültigkeit. Die Mitarbeitenden wollen eine sinnvolle Arbeit. Hinzukommt die Herausforderung, dass Angestellte für ein Unternehmen und in einer Branche arbeiten wollen, die sich positiv auf die Gesellschaft auswirkt (#Purpose).

Meine Empfehlung ist, die Mitarbeiter zu befähigen (#Empowerment), von ihnen mehr Rechenschaft (#Accountability) und mehr Eigenverantwortung (#Ownership) zu erwarten. Das hat einen Nebeneffekt: Es erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und den Sinn in ihrer Arbeit. Ausserdem sollten Manager in Bezug auf die physische Präsenz entspannter werden und auf die Fähigkeiten vertrauen, die wir während der Pandemie gelernt haben.

Wir müssen gleichzeitig die nächsten technologischen Verlockungen kritisch im Auge behalten. Nur weil etwas (technisch) möglich ist, bedeutet das nicht, dass es prinzipiell gut ist und blindlings umgesetzt werden sollte.

Ausblick

Wir haben uns noch nicht mit der Frage beschäftigt, wie die Arbeit in der Zukunft aussehen wird. Wird Arbeit eine wichtige Rolle spielen? Werden wir in Zukunft überhaupt noch arbeiten, wenn uns KI tatsächlich von dieser lästigen Tätigkeit befreien sollte, so wie es uns die Weltuntergangsprediger glauben lassen wollen?

Ich bin neugierig, was uns die Zukunft bringen wird. Wir sollten nicht vergessen, dass wir, auch wenn nicht alles, doch einiges davon selbst steuern können.

Über die Autorin / den Autor
Prof. Dr. Bruno Mascello Akademischer Direktor Law & Management der Executive School of Management, Technology and Law der Universität von St.Gallen, Direktor des Executive Weiterbildungsprogramms für Juristen “Management for the Legal Profession (MLP-HSG)”, Rechtsanwalt, Dozent und Autor zu verschiedenen Fragen an der Schnittstelle von Recht und Management.